Sozialarbeit in der Klinik

«Wir beraten und bestärken»

Als Sozialarbeiterin in der Klinik Meissenberg versteht sich Claudia Baumgartner als Beraterin, Coach und Unterstützung für die Patientinnen. Wie ihr Alltag aussieht, beschreibt sie im Interview.

Was ist Ihre Aufgabe als Sozialarbeiterin in der Klinik Meissenberg?

Claudia Baumgartner: Ich bin für die Klientin – ich mag das Wort mehr als Patientin – die Schnittstelle zur Welt ausserhalb der Klinik. Wir bieten Hilfe in den fünf Lebenssäulen, auf denen das Leben beruht: Existenzsicherung, Arbeit/Tagesstruktur, Wohnen, Soziales und Gesundheit. Der therapeutische Aspekt ist nicht Teil unserer Arbeit.

Wo liegen die angesprochenen Schnittstellen zur Aussenwelt genau?

Ich bringe mich dort ein, wo die Klientin Unterstützung braucht. Manchmal ist das nur eine Beratung bzw. ein Coaching. Es kommt aber auch vor, dass ich sie entlaste und etwas übernehme. Oft bin ich als Unterstützung bei gewissen Gesprächen anwesend.

Können Sie ein konkretes Beispiel machen?

Im Kontakt mit den Behörden motiviere und bestärke ich die Klientin darin, falls nötig mit den Behörden Kontakt aufzunehmen und gewisse Dinge zu klären, sei es die Existenzsicherung oder die Regelung bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe und/oder bei den Sozialversicherungen. Auch der Kontakt zum Arbeitgeber ist sehr wichtig, gerade in Burnout-Fällen. In solchen oft schwierigen Arbeitsverhältnissen versuche ich zu vermitteln und die Wogen zu glätten. Auch berate ich die Klientinnen in Fragen der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt.

Treten Sie in direkten Kontakt mit dem Arbeitgeber?

Ich mache das eher selten und nur auf den ausdrücklichen Wunsch der Klientin. Viel öfter kläre ich gemeinsam mit ihr und dem Arbeitgeber die Situation wie auch die Modalitäten für die Rückkehr zum Arbeitsplatz. Manchmal bin ich auch das Bindeglied zur fallführenden Therapeutin, wenn es darum geht, ob die Klientin aus gesundheitlicher Sicht wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden kann.

Und wenn das nicht geht?

Wenn die Klientin beispielsweise ihre Stelle kündigen möchte, können wir sie bei den entsprechenden Schritten methodisch wie auch arbeitsrechtlich unterstützen. Das kann – gerade während einer Therapie – belastend sein. In diesem Fall stehen wir beratend und stärkend zur Seite.

Eine Kündigung ist wirtschaftlich immer schwierig.

Ja, das stimmt. Aber sie kann auch neue Möglichkeiten eröffnen. Ich organisiere und leite darum auch sehr häufig so genannte Standortgespräche mit Arbeitgebern und Case-Managern. Mein Hintergrund, unter anderem als Personalberaterin und Personalfachfrau, hilft in solchen Momenten, insbesondere wenn es um arbeitsvertragliche Aspekte geht. Das gibt der Klientin die nötige Sicherheit.

«Für die Klientin bin ich die Schnittstelle zur Aussenwelt.»

Claudia Baumgartner

Wie gross ist der Einfluss der Klientin auf diese Gespräche?

Sehr gross. Ich bereite die Gespräche gemeinsam mit ihr vor. 

Sie agieren also hauptsächlich unterstützend. Agieren muss die Klientin aber selbst?

Grundsätzlich gilt: Wir machen nichts gegen den Willen oder ohne das Wissen der Klientin. Das ist unser berufsethisches Prinzip. Ich bin nur in Ausnahmefällen ohne die Klientin aktiv. Dann werde ich ausdrücklich von meiner Schweigepflicht entbunden, um in Abwesenheit der Klientin etwas abklären zu können. Das ist vor allem der Fall, wenn sie zu intensiv mit der Therapie beschäftigt ist und sich nicht noch mit etwas anderem auseinandersetzen kann oder sich nicht bereit dazu fühlt.

Das Gespräch mit dem Arbeitgeber kann sehr belastend sein und vielleicht sogar die Therapie zurückwerfen. Wie minimieren Sie dieses Risiko?

Wir reden vor dem Gespräch über mögliche Risiken. Die Klientin entscheidet, wie stark sie das Gespräch selbst führen kann oder will. Ausserdem hat sie die «Gelbe Karte»: Wenn es ihr zu viel wird, kann sie diese Karte zeigen, ohne sich erklären zu müssen. Dann übernehme ich das Gespräch. 

Zusammengefasst unterstützen Sie die Klientin in Angelegenheiten, die zwar wichtig sind, aber nicht Teil der Therapie sind? 

Genau, ich bin unterstützend und beratend tätig in den fünf angesprochenen Lebensbereichen. Es kann auch sein, dass ich konkreten Auftrag bekomme von einer fallführenden Therapeutin. Selbstverständlich auch hier immer in Absprache mit der Klientin.

Wir sprachen vor allem über die Arbeit. Welche anderen der fünf Bereiche beschäftigen Sie ähnlich stark?

Die Wohnsituation ist häufig ein Thema, aber auch die Familie. Gerade jüngere Klientinnen brauchen oft eine eigene Wohnung, da sie nicht länger bei den Eltern bleiben können. In solchen Fällen unterstütze ich die Klientin bei der Suche nach einer geeigneten Wohnform.

Wie muss man sich einen konkreten Kontakt mit einem Vermieter vorstellen? Den geht es ja nichts an, dass die Mieterin in einer Klinik ist.

Das ist tatsächlich diffizil. Häufig geht es darum, die Zeit, bis die Sozialhilfe greift, zu überbrücken. In solchen Fällen rufen wir oft gemeinsam an, ich melde mich mit meiner Funktion und bin transparent, von wo ich anrufe. Ich rufe aus Prinzip nicht anonym an. Die Klientin hört zu und greift wenn nötig ein. Das ist ein typisches Beispiel, wie ich belastende Gespräche begleite oder stellvertretend übernehme.

Noch schwieriger und komplizierter ist das Thema Familie.

Ich nehme an den Rapporten des Therapieteams teil. Wenn jemand neu eintritt und Kinder erwähnt werden, hat das meine besondere Aufmerksamkeit. Häufig werde ich beigezogen, um beispielsweise mit der KESB oder den Berufsbeiständen gewisse Dinge abzuklären, zu vermitteln oder zu koordinieren. Hier kommt mir entgegen, dass ich auch als Berufsbeiständin tätig war. 

Um nochmals klar zu formulieren: Sie werden nie ohne das Wissen der Klientin tätig?

Korrekt. Ich habe vom klinischen Datenschutz und von meinen Berufskodex als Sozialarbeiterin klare Vorgaben, was ich darf und was nicht. Einzig im Behandlungsteam und im Rahmen des interprofessionellen Rapportes sprechen wir offen über die Klientin. Das ist aber immer in deren Sinn. 

Was ist, wenn beispielsweise eine Mutter fragt, wie es ihrer Tochter in der Klinik geht? Das ist immerhin eine Blutsverwandte. 

Solche Anrufe kommen vor. Ich höre zu, spreche mit ihnen, berate sie vielleicht sogar, wenn sie sich Sorgen machen. Ich gebe aber keine Auskunft über die Klientin ohne deren Einverständnis. Das darf ich schlicht nicht.

«Es ist sehr motivierend, wenn ich mit den involvierten Kolleginnen und Kollegen am selben Strang ziehe und dies zu einem Fortschritt der Klientin führt.»

Claudia Baumgartner

Sie sind seit zwei Jahren im Meissenberg tätig. Was gefällt Ihnen besonders hier?

Das angenehme Arbeitsklima erlebe ich als sehr wohlwollend und lösungsorientiert. Die interprofessionelle Arbeit und die Begegnungen auf Augenhöhe über alle Hierarchiestufen hinweg sind toll. Und natürlich die Vielschichtigkeit der Themen, ich kann hier meine langjährige berufliche Erfahrung einbringen.

Gibt es ein besonderes Ereignis, das sie geprägt hat?

Wir hatten ein sehr belastendes, trauriges Erlebnis mit einer Patientin, das wir als Team aber gemeinsam konstruktiv aufarbeiten konnten. Das war ein eindrückliches Erlebnis und hat mir gezeigt, dass ich am richtigen Ort bin.

Worüber können Sie sich freuen?

Wenn eine Klientin bestärkt und mit einer Perspektive aus unserem Gespräch geht. Ausserdem ist es sehr motivierend, wenn ich mit den involvierten Kolleginnen und Kollegen am selben Strang ziehe und dies zu einem Fortschritt der Klientin führt.

Text Hansjörg Honegger

Foto Daniel Brühlmann